Zukunft der Pflegebildung: Positionspapiere des Deutschen Pflegerats

Der Deutsche Pflegerat hat in den vergangenen Wochen drei Positionspapiere zur Weiterentwicklung der Pflegebildung veröffentlicht. Sie verdeutlichen, dass Bildungspolitik eine Schlüsselfunktion für die Professionalisierung der Pflege einnimmt.

Deutscher Pflegerat - Positionspapiere

Generalistische Ausbildung als Standard

Im Papier "Pflegebildung zukunftssicher ausrichten" spricht sich der DPR dafür aus, die Pflegeausbildung künftig ausschließlich generalistisch zu gestalten. Grundlage dieser Forderung sind aktuelle Ausbildungsstatistiken: Im Jahr 2024 schlossen 99% aller Absolvent:innen eine generalistische Ausbildung ab; lediglich 100 Personen beendeten eine Ausbildung in der Altenpflege, 300 in der Kinderkrankenpflege.

Aus Sicht des DPR belegen diese Zahlen, dass eine Fortführung der getrennten Ausbildungswege nicht mehr sinnvoll ist. Die Generalistik ermögliche ein breites Kompetenzprofil, fördere die berufliche Mobilität und stärke die Einheit der Profession. Spezialisierungen sollen künftig über Weiterbildungen oder Zusatzqualifikationen erfolgen.

Damit folgt der Verband einem Trend, der international seit Jahren erkennbar ist: Pflegeberufe werden zunehmend als generalistisch ausgebildete Kernprofession verstanden, deren Spezialisierungen auf einem gemeinsamen Fundament aufbauen.

Prüfungsordnung und Gleichstellung akademischer Qualifikationen

Ein zweites Papier befasst sich mit der "Prüfungsordnung für Pflegestudiengänge". Der DPR fordert, dass Pflegefachpersonen mit entsprechender Qualifikation auch heilkundliche Tätigkeiten prüfen dürfen. Nach der aktuellen Rechtslage dürfen diese Prüfungen nur durch Ärzt:innen abgenommen werden.

Der Verband sieht darin eine strukturelle Einschränkung der pflegerischen Selbstständigkeit. Hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen verfügen über die erforderliche Expertise, um praktische und mündliche Prüfungen in ihren Kompetenzbereichen durchzuführen. Eine gesetzliche Anpassung wäre ein wichtiger Schritt zur Gleichwertigkeit von pflegerischer und medizinischer Qualifikation.

Darüber hinaus verweist der DPR auf die curriculare und didaktische Integrität der Pflegestudiengänge. Prüfungsrechte für Pflegefachpersonen würden die Umsetzung erweiterter heilkundlicher Kompetenzen in der Versorgungspraxis langfristig sichern.

Pflegeberufliche Kompetenzen im Deutschen Qualifikationsrahmen

Das dritte Papier trägt den Titel „Pflegeberufliche Kompetenzen im DQR sichtbar und anschlussfähig machen“ und bezieht sich auf die Ergebnisse des BAPID-Projekts. Der DPR fordert eine eindeutige und nachvollziehbare Zuordnung pflegerischer Qualifikationen im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR).

Vorgesehen ist folgende Eingruppierung:

  • Pflegefachassistenzpersonen auf Niveau 4
  • ausgebildete Pflegefachpersonen auf Niveau 5
  • Pflegefachpersonen mit grundständigem Bachelorabschluss auf Niveau 6
  • Masterabschlüsse auf Niveau 7
  • Promotionen auf Niveau 8

Diese Zuordnung soll die Durchlässigkeit zwischen Bildungsstufen erhöhen, Karrierewege transparent machen und die Vergleichbarkeit mit anderen Gesundheitsberufen gewährleisten. Sie schafft zugleich die Voraussetzung, Pflege als akademische Profession im europäischen Kontext eindeutig zu positionieren.


Krankenhausreform-Anpassungsgesetz: Pflegepersonaluntergrenzen kein Qualitätskriterium

Parallel zu den bildungspolitischen Diskussionen wurde das Krankenhausreform-Anpassungsgesetz vorgelegt. Es ersetzt das frühere Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) und reagiert auf die anhaltenden Herausforderungen der Krankenhauslandschaft. Ziel ist eine Umstellung der Finanzierung auf sogenannte Vorhaltepauschalen, die den Kliniken eine stabilere wirtschaftliche Grundlage bieten sollen.

Vorhaltepauschalen bedeuten, dass Krankenhäuser künftig nicht mehr ausschließlich für einzelne Behandlungsfälle vergütet werden, sondern für die Bereitstellung notwendiger Infrastruktur. Damit sollen insbesondere kleinere und spezialisierte Einrichtungen Planungssicherheit erhalten.

Allerdings hat die jüngste Fassung der Reform deutliche Kritik ausgelöst. Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die Streichung der Pflegepersonaluntergrenzen aus den Qualitätskriterien der Leistungsgruppen.

Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) | BMG

Bedeutung der Pflegepersonaluntergrenzen

Die Untergrenzen sind bisher das einzige bundesweit verbindliche Instrument zur Sicherung einer Mindestbesetzung in der Pflege. Sie dienen der Patient:innensicherheit und bilden eine Grundlage für planbare Arbeitsbedingungen. Ihr Wegfall bedeutet, dass die Einhaltung personeller Standards nicht mehr verpflichtend an die Genehmigung bestimmter Leistungsgruppen gekoppelt ist.

Der Deutsche Pflegerat und der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) bewerten diesen Schritt als Rückschritt für die Versorgungsqualität. Pflege sei ein zentraler Qualitätsfaktor der Krankenhausversorgung und müsse entsprechend im Gesetz berücksichtigt werden. Solange kein alternatives System – etwa die PPR 2.0 – verbindlich implementiert ist, gefährde der Wegfall der Untergrenzen die Versorgungssicherheit.

Darüber hinaus verweisen beide Verbände darauf, dass pflegerische Qualität nicht allein durch ökonomische Effizienz definiert werden könne. Personalbemessung ist ein zentrales Element patient:innenorientierter Versorgung und Voraussetzung für eine sichere, evidenzbasierte Pflegepraxis.

DBfK-Stellungnahmen
Hier finden Sie eine Übersicht zu aktuellen Stellungnahmen des DBfK.

Pflege als Bestandteil von Qualitätssteuerung

Die Reformdebatte verdeutlicht, dass pflegerische Qualität ein eigenständiger Bestandteil von Versorgungssteuerung sein muss. Pflegefachpersonen sind nicht lediglich Teil der Infrastruktur, sondern tragen wesentlich dazu bei, wie Behandlungsqualität entsteht und aufrechterhalten wird.

Die Streichung der Untergrenzen lässt sich daher nicht nur als juristische Änderung verstehen, sondern als Indikator für die Frage, welche Rolle Pflege im System der Qualitätssicherung einnimmt. In der aktuellen Ausgestaltung besteht die Gefahr, dass pflegerische Leistungen strukturell unterbewertet werden. Eine nachhaltige Krankenhauspolitik muss Pflege als gleichwertige Dimension medizinischer Qualität begreifen – nicht als nachgeordnete Ressource.


Kurznachrichten

Neue Leitung der Bundesdekane-Konferenz Pflegewissenschaft

Professor Johannes Gräske (Alice Salomon Hochschule Berlin) übernimmt den Vorsitz der Bundesdekane-Konferenz Pflegewissenschaft. Unterstützt wird er von Professorin Uta Gaidys (HAW Hamburg) und Professorin Stephanie Kemper (Hochschule Neubrandenburg). Die Konferenz bündelt die Interessen der pflegewissenschaftlichen Hochschulen und fördert den Austausch zwischen Lehre, Forschung und Berufspolitik.

Bundesdekanekonferenz Pflegewissenschaft wählt neuen Vorstand
Hochschule Neubrandenburg Organisation

Seit 2024 ist sie Mitglied im Deutschen Pflegerat. Damit entsteht eine engere Verbindung zwischen akademischer Forschung und berufspolitischer Interessenvertretung – ein wichtiger Schritt für die wissenschaftliche Fundierung pflegerischer Praxis.

Der Vorstand

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Aktualisierte Leitlinien zur Reanimation

Das European Resuscitation Council (ERC) hat seine Leitlinien zur Reanimation überarbeitet. Ziel ist eine standardisierte, evidenzbasierte Versorgung bei Herz-Kreislauf-Stillständen. Die neuen Leitlinien betonen die Bedeutung interprofessioneller Zusammenarbeit und regelmäßiger Teamtrainings – sowohl für medizinisches als auch für pflegerisches Fachpersonal.

Die Aktualisierung zeigt, dass klinische Qualität zunehmend von Kommunikation, Rollenverständnis und Koordination abhängt. Für Pflegefachpersonen ergibt sich daraus die Aufgabe, diese Aspekte aktiv in die Praxis einzubringen und als Teil des professionellen Kompetenzprofils zu verstehen.

Deutscher Rat für Wiederbelebung - German Resuscitation Council (GRC) e.V.

Einheitliche Ausbildung in der Pflegefachassistenz

Mit der Zustimmung des Bundesrats tritt zum 1. Januar 2027 die bundeseinheitliche Ausbildung in der Pflegefachassistenz in Kraft. Das Gesetz beendet den bisherigen Flickenteppich aus 27 Landesregelungen.

Die 18-monatige Ausbildung soll eine klare Struktur schaffen und den Einstieg in die Pflegeberufe erleichtern. Sie ist Voll- oder Teilzeitfähig und öffnet den Zugang auch für Personen ohne Schulabschluss, sofern eine positive Eignungsprognose vorliegt.

Ziel ist, die Attraktivität der Pflegeberufe zu erhöhen und die Durchlässigkeit zwischen Qualifikationsstufen zu fördern. Pflegefachassistenzpersonen sollen künftig alle Versorgungsbereiche unterstützen und damit zur Entlastung der Pflegefachpersonen beitragen.

Bundesrat stimmt bundeseinheitlicher Pflegefachassistenzausbildung zu
Das neue Pflegefachassistenzeinführungsgesetz schafft ein eigenständiges, bundesweit einheitliches Berufsprofil für die Pflegefachassistenz. Es wird damit die 27 landesrechtlich geregelten…

Fazit

Die 105. Folge des PflegeUpdates verdeutlicht, wie dynamisch sich die Pflege in Deutschland entwickelt. Bildung, Gesetzgebung und Wissenschaft greifen zunehmend ineinander und bestimmen gemeinsam die Rahmenbedingungen pflegerischer Praxis.

Die Positionen des Deutschen Pflegerats zur Ausbildung und Professionalisierung betonen die Notwendigkeit, pflegerische Kompetenzen strukturell und rechtlich zu stärken. Gleichzeitig zeigen die Anpassungen der Krankenhausreform, dass pflegerische Qualität politisch nach wie vor um Anerkennung ringt.

Die aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen unterstreichen, dass Pflege als Disziplin wächst und ihr Beitrag zur Qualität der Versorgung zunehmend messbar und nachvollziehbar wird. Entscheidend wird sein, diese Erkenntnisse in Politik und Praxis zu verankern – damit Pflege nicht nur systemrelevant bleibt, sondern systemgestaltend wirkt.