Pflegeattraktiv – Ein Weg zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität im Gesundheitswesen
Im Gesundheitswesen herrscht zunehmend ein Fachkräftemangel, der insbesondere Pflegefachpersonen betrifft. Um dem entgegenzuwirken und Pflegefachpersonen langfristig zu binden, ist die Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen von entscheidender Bedeutung. Genau hier setzt das Zertifizierungsverfahren Pflegeattraktiv an, das von der Knappschaft-Klinik und dem Bundesverband Pflegemanagement entwickelt wurde. Das Ziel ist klar: Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser sollen für ihre Mitarbeitenden attraktiv gestaltet werden, um deren Zufriedenheit und Motivation zu steigern und letztlich die Qualität der Patient:innenversorgung zu verbessern.
Ursprung des Pflegeattraktiv-Zertifikats
Das Pflegeattraktiv-Zertifikat hat seinen Ursprung in einem grundlegenden Problem, dem sich viele Einrichtungen im Gesundheitswesen stellen müssen: Wie können Pflegefachpersonen nicht nur gewonnen, sondern auch langfristig gebunden werden? Die Pflegebranche leidet seit Jahren unter einem Fachkräftemangel, der durch hohe Arbeitsbelastung, schlechte Arbeitsbedingungen und unattraktive Karrierechancen weiter verschärft wird.
„Wir haben überlegt, wie wir uns im Kampf um Fachkräfte so ein bisschen abheben können und was wir besonders hervorrufen können, um Mitarbeiter zu binden, Mitarbeiter dazu zu gewinnen und zu halten.“ - Sarah Lukuc
Diese Überlegung führte letztlich zur Entwicklung eines eigenen Zertifizierungsverfahrens, das spezifisch auf die Bedürfnisse von Pflegefachpersonen in Deutschland zugeschnitten ist.
Aufbau des Zertifizierungsverfahrens
Das Zertifizierungsverfahren „Pflegeattraktiv“ basiert auf sechs Befähigungskriterien, die eine umfassende Bewertung der Arbeitsplatzbedingungen ermöglichen. Diese Kriterien umfassen unter anderem die Unternehmenskultur, Führungshandeln, Arbeitsbedingungen und interprofessionelle Zusammenarbeit. Dabei wird besonders auf die Einbindung der Pflegefachpersonen geachtet, wie Sarah Lukuc betont:
"Pflegeattraktiv ist kein von oben nach unten denken. Die Mitarbeiter selbst können entscheiden, was im Unternehmen verändert und angegangen werden soll." Sarah Lukuc
Jedes der sechs Befähigungskriterien ist mit einem spezifischen Projekt verbunden, das über einen Zeitraum von drei Jahren umgesetzt wird. Das Verfahren umfasst ein Erstaudit und zwei Überwachungsaudits, in denen die Fortschritte und der Erfolg der Projekte überprüft werden. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, dass die Projekte von den Pflegefachpersonen selbst geleitet werden. Dies soll die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden steigern und zu einem echten Wandel in den Strukturen der Pflegeeinrichtungen führen.
Befähigungskriterien im Detail
Die sechs Befähigungskriterien, auf denen das Pflegeattraktiv-Zertifikat basiert, sind breit gefächert und decken alle wesentlichen Aspekte der Arbeitsbedingungen im Pflegebereich ab:
- Unternehmenskultur und Rolle der Pflege: Pflegefachpersonen sollen ein integraler Bestandteil der Unternehmensentwicklung sein. Insbesondere in Krankenhäusern muss die Pflege in der Leitungsebene vertreten sein.
- Unternehmensstruktur, Führungshandeln und Eigenverantwortung: Pflegefachpersonen sollen in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden und eigenverantwortlich handeln können.
- Arbeitsbedingungen in und für die Pflege: Flexibilität bei Dienstplänen, Freizeitausgleich und Vermeidung von Überlastung durch ständiges Einspringen sind zentrale Themen.
- Personalmanagement im Dreieck - Interprofessionelle Zusammenarbeit: Die Zusammenarbeit zwischen Pflegefachpersonen und anderen Berufsgruppen wie Ärzt:innen oder der Personalabteilung ist ein weiterer wichtiger Punkt.
- Prävention, Gesundheit, Personalpflege und Arbeitssicherheit: Betriebliche Gesundheitsmanagementprogramme sowie Maßnahmen zur Prävention von Krankheit sind zentrale Elemente.
- Personalmarketing, Gewinnungs- und Bindungsmanagement: Arbeitgeberattraktivität nach außen darzustellen und Auszubildende langfristig an das Unternehmen zu binden, sind entscheidende Faktoren.
Ergebnisse und Wirkung von Pflegeattraktiv
Das Zertifizierungsverfahren „Pflegeattraktiv“ hat sich seit seiner Einführung in zahlreichen Pflegeeinrichtungen als erfolgreich erwiesen. Insbesondere in den Knappschaft-Kliniken, die das Verfahren initiiert haben, konnten bereits positive Effekte festgestellt werden. Sarah Lukuc hebt hervor:
"Die Mitarbeiter:innenmotivation und der Zuwachs an Personal waren deutlich spürbar. Es wurde uns zurückgemeldet, dass das Siegel Pflegeattraktiv auch wirklich gelebt wird." - Sarah Lukuc
Durch die Einbindung der Pflegefachpersonen in die Entscheidungsprozesse und die Schaffung besserer Arbeitsbedingungen konnte nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeitenden gesteigert, sondern auch die Patient:innenversorgung verbessert werden. Langfristig soll durch die Erhebung von Kennzahlen ein Benchmark entwickelt werden, der es ermöglicht, die Qualität und Effizienz der Maßnahmen zu messen und weiter zu optimieren.
Pflegeattraktiv und die Magnet-Zertifizierung
Ein häufiger Vergleich, der im Zusammenhang mit Pflegeattraktiv gezogen wird, ist die internationale Magnet-Zertifizierung, die vor allem in den USA weit verbreitet ist. Während Magnet einen globalen Standard setzt, ist Pflegeattraktiv speziell auf die Anforderungen des deutschen Gesundheitswesens abgestimmt. Dennoch könnte das Pflegeattraktiv-Zertifikat eine Vorbereitung auf den Magnet-Standard darstellen.
Pflegeattraktiv ist kleiner aufgesetzt und einfacher, hier in Deutschland umzusetzen. Es könnte durchaus als Vorzertifizierung für den Magnet-Weg dienen. – Sarah Lukuc
Derzeit gibt es in Europa zwei Magnet-zertifizierte Krankenhäuser: das Universitätsklinikum Antwerpen in Belgien und das Nottingham University Hospitals NHS Trust – City Hospital in England.
Herausforderungen und Perspektiven
Ein solches Zertifizierungsverfahren ist jedoch nicht ohne Herausforderungen. Insbesondere die Kommunikation innerhalb der Einrichtung und die Bereitstellung der erforderlichen Kennzahlen sind häufige Hürden, die überwunden werden müssen. Um den Prozess erfolgreich zu gestalten, ist es wichtig, alle Mitarbeitenden frühzeitig zu informieren und in den Prozess einzubinden. Auch die Geschäftsführungen müssen ein starkes Commitment abgeben, da viele der Projekte finanzielle und personelle Ressourcen erfordern.
Die ersten Jahre des Pflegeattraktiv-Verfahrens haben jedoch gezeigt, dass der Aufwand lohnt. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege ist nicht nur ein Gewinn für die Mitarbeitenden, sondern auch für die Patient*innen und das gesamte Unternehmen.
Fazit
Das Zertifizierungsverfahren „Pflegeattraktiv“ bietet Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern eine einzigartige Möglichkeit, ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern und damit dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzuwirken. Durch die Einbindung der Mitarbeitenden in die Entscheidungsprozesse und die Schaffung verbindlicher Rahmenbedingungen schafft Pflegeattraktiv nicht nur ein Siegel, sondern vor allem einen nachhaltigen Wandel in den Strukturen der Pflege. Die ersten Erfolge zeigen, dass das Verfahren das Potenzial hat, die Pflegebranche in Deutschland grundlegend zu verändern – zum Wohl der Pflegefachpersonen und der Patient:innen.
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