Generalistische Pflegeausbildung: Ein Wendepunkt für die Pflege

Die Pflegebranche in Deutschland hat einen neuen Meilenstein erreicht: die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung. Seit 2020 ermöglicht dieses Modell eine einheitliche Grundausbildung für Pflegefachpersonen in der Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege. Der Schritt hin zur Generalistik ist mehr als nur eine Veränderung der Ausbildung – es ist eine notwendige Reform, die sowohl die Attraktivität der Pflegeberufe steigern als auch die Qualität der Versorgung verbessern soll. Doch wie sieht diese Ausbildung genau aus, warum wurde sie eingeführt und was bedeutet sie für Pflegefachpersonen in der Praxis?

Warum die Generalistik? Ein Blick auf die Entwicklung der Pflegeausbildung

Die Pflegeausbildung in Deutschland war über Jahrzehnte hinweg in verschiedene Spezialisierungen unterteilt. Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege bildeten jeweils eigene Ausbildungspfade, die auf die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen zugeschnitten waren. Diese getrennten Wege führten jedoch zu einer Fragmentierung der Pflegeberufe, was sich besonders im internationalen Vergleich bemerkbar machte.

Die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung reagiert auf mehrere Herausforderungen: den Fachkräftemangel, die zunehmende Komplexität der pflegerischen Aufgaben und den Wunsch nach einer flexibleren Berufslaufbahn für Pflegefachpersonen. Außerdem wollte man mit der Reform internationale Standards in der Pflegeausbildung umsetzen, um die Mobilität der Pflegefachpersonen innerhalb Europas zu erleichtern.

"Die Generalistik schafft endlich eine gemeinsame Basis für alle Pflegeberufe und stärkt damit die Profession der Pflege." – Christine Vogler

Wie ist die generalistische Pflegeausbildung aufgebaut?

Die generalistische Pflegeausbildung verfolgt einen modularen Ansatz. In den ersten beiden Ausbildungsjahren erhalten alle Auszubildenden eine gemeinsame Grundausbildung. Sie lernen dabei sowohl die Grundlagen der Altenpflege als auch der Kranken- und Kinderkrankenpflege. Diese umfassende Ausbildung gibt ihnen ein breites Kompetenzspektrum, das es ihnen ermöglicht, in verschiedenen pflegerischen Bereichen zu arbeiten.

Erst nach diesen zwei Jahren entscheiden sich die Auszubildenden, ob sie eine Vertiefung in einem spezifischen Bereich – wie der Altenpflege oder der Kinderkrankenpflege – anstreben oder ob sie weiterhin eine generalistische Ausbildung verfolgen und sich damit zur Pflegefachperson ausbilden lassen. Diese Flexibilität bietet den Auszubildenden die Möglichkeit, ihre Karriere nach ihren individuellen Interessen und den Erfordernissen des Arbeitsmarktes zu gestalten.

Breitere Perspektiven für Pflegefachpersonen

Eine der größten Stärken der generalistischen Pflegeausbildung ist die Flexibilität, die sie Pflegefachpersonen bietet. Die Trennung der verschiedenen Pflegeberufe gehört der Vergangenheit an, wodurch sich der Zugang zu verschiedenen Versorgungsbereichen vereinfacht. Pflegefachpersonen sind in der Lage, sowohl in der stationären Altenpflege als auch in Krankenhäusern oder in der häuslichen Pflege tätig zu sein.

Die Möglichkeit, in unterschiedlichen Bereichen zu arbeiten, erhöht nicht nur die Karriereoptionen, sondern ermöglicht es den Pflegefachpersonen auch, besser auf Veränderungen im Gesundheitswesen zu reagieren. Mit einer alternden Bevölkerung und einem zunehmenden Pflegebedarf wird die Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachpersonen in allen Bereichen der Pflege weiter steigen. Die generalistische Ausbildung bereitet sie optimal auf diese Herausforderungen vor.

"Mit der generalistischen Pflegeausbildung haben Auszubildende mehr Möglichkeiten, ihren individuellen Karriereweg zu gestalten." – Christine Vogler

Kompetenzen und Verantwortung: Was Pflegefachpersonen künftig leisten

Mit der generalistischen Ausbildung wächst nicht nur das berufliche Einsatzspektrum, sondern auch die Verantwortung der Pflegefachpersonen. Die Reform fördert die Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfähigkeit in der Pflegepraxis. Pflegefachpersonen lernen, den Pflegebedarf von Patient:innen eigenständig zu erheben und entsprechende Maßnahmen zu planen und durchzuführen. Dies stärkt nicht nur das Berufsbild, sondern verbessert auch die Qualität der pflegerischen Versorgung.

Ein zentraler Aspekt der Ausbildung ist die praxisnahe Wissensvermittlung. Die Auszubildenden durchlaufen verschiedene praktische Einsätze in unterschiedlichen Pflegeeinrichtungen. So lernen sie, wie sich die Arbeit in einer Klinik von der in einem Pflegeheim oder einem ambulanten Dienst unterscheidet. Dieser praktische Bezug stellt sicher, dass sie nach ihrem Abschluss sofort einsatzbereit sind und fundierte Entscheidungen im Sinne der Patient:innen treffen können.

Herausforderungen für die Umsetzung

Trotz der vielen Vorteile steht die Pflegebranche bei der Umsetzung der generalistischen Ausbildung vor einigen Herausforderungen. Besonders kleinere Pflegeeinrichtungen stehen vor der Aufgabe, die erforderlichen Ausbildungsinhalte abzudecken. Da die Auszubildenden sowohl in der Altenpflege, der Krankenpflege als auch in der Kinderkrankenpflege eingesetzt werden müssen, sind Kooperationen zwischen verschiedenen Trägern notwendig. Diese Zusammenarbeit stellt sicher, dass die Auszubildenden die geforderten praktischen Erfahrungen sammeln können.

Auch die Schulen und Lehrkräfte stehen vor neuen Anforderungen. Die generalistische Ausbildung erfordert eine Umstellung der Lehrpläne und eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen pflegerischen Fachdisziplinen. Nicht zuletzt müssen sich auch die Praxisanleiter:innen, die für die Betreuung der Auszubildenden vor Ort verantwortlich sind, an die neuen Ausbildungsinhalte anpassen und sich kontinuierlich weiterbilden.

Was bedeutet die Generalistik für die Patient:innen?

Für die Patient:innen bietet die generalistische Pflegeausbildung viele Vorteile. Durch die breitere Ausbildung sind Pflegefachpersonen in der Lage, komplexere Pflegefälle zu betreuen und übergreifende Versorgungsbedarfe zu erkennen. Besonders in der ambulanten Pflege, wo Pflegefachpersonen häufig eigenverantwortlich arbeiten, bedeutet dies eine bessere Versorgungssicherheit.

Zudem fördert die generalistische Ausbildung die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitswesen. Pflegefachpersonen können aufgrund ihrer umfassenden Ausbildung besser mit Ärzt:innen, Therapeutund anderen Fachkräften zusammenarbeiten. Dies führt zu einer integrierteren Versorgung und einer besseren Abstimmung der Behandlungspläne.

Die Zukunft der Pflegeausbildung: Was ist noch zu tun?

Auch wenn die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung ein wichtiger Schritt in Richtung Professionalisierung und Qualitätssicherung in der Pflege war, gibt es noch Bereiche, die weiterentwickelt werden müssen. Dazu zählt vor allem die Weiterentwicklung der akademischen Laufbahnen für Pflegefachpersonen. Der Trend zur Akademisierung in der Pflege sollte weiter vorangetrieben werden, um den steigenden Anforderungen in der Praxis gerecht zu werden.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass die generalistische Pflegeausbildung kontinuierlich evaluiert und weiterentwickelt wird. Die Anforderungen im Gesundheitswesen ändern sich ständig, und die Ausbildung muss flexibel genug sein, um auf diese Veränderungen reagieren zu können. Dies schließt auch die Anpassung der Lehrpläne und Praxisinhalte ein, um sicherzustellen, dass die Auszubildenden auf die realen Herausforderungen im Berufsalltag vorbereitet sind.

Fazit: Eine Chance für die Pflege

Die generalistische Pflegeausbildung ist eine wegweisende Reform, die das Potenzial hat, die Pflegeberufe grundlegend zu verändern. Sie stärkt das Berufsbild der Pflegefachpersonen, bietet flexiblere Karrierewege und verbessert die Versorgung der Patient:innen. Damit dies gelingt, sind jedoch alle Beteiligten gefordert: Pflegeeinrichtungen, Schulen und politische Entscheidungsträgermüssen eng zusammenarbeiten, um die Generalistik erfolgreich zu gestalten. Die Herausforderungen sind groß, aber die Chancen, die sich durch die generalistische Ausbildung bieten, sind es ebenfalls. Mit der richtigen Unterstützung und kontinuierlichen Anpassungen kann die Pflege in Deutschland zukunftssicher gemacht werden – zum Wohl der Patient:innen und der Pflegefachpersonen gleichermaßen.

Shownotes zur Folge


Alex, Eva und Christine Vogler nach der Podcast-Aufnahme
Alex, Eva Maria, Christine Vogler (v.l.n.r.)